Viele Angehörige von Missbrauchsopfern fühlen sich hilflos und ohnmächtig, wenn ein Familienmitglied sexualisierte Gewalt erfahren hat, sei es der Partner oder die Partnerin, das eigene Kind oder Enkelkind, ein Elternteil oder ein Geschwisterkind.
Der Umgang mit den jahrelangen schwersten Folgen des Missbrauchs, unter denen die Opfer leiden, und das Erleben der eigenen Grenzen im „Mit-Tragen“ und „Mit-Ertragen“ macht auch Angehörige zu Betroffenen.
So hat sexualisierte Gewalt auch Jahrzehnte nach den Taten Auswirkungen auf die gesamte Familie und hinterlässt Spuren in den Generationen:
Und es bleiben die vielen Fragen, auf die ein jeder Mensch zurückgeworfen wird:
Und das ewig schlechte Gewissen bleibt: sich nicht genug zu kümmern; nicht ständig mit dem Thema konfrontiert werden zu wollen; wütend zu sein, dass die „alten Geschichten“ und das Leid des anderen das eigene Leben so bestimmen.
Wenn Priester oder Ordensangehörige die Täter:innen waren, dann erweitert sich die Betroffenheit oft auf das eigene spirituelle (Er-)Leben, auf das eigene Gottesbild, die eigene religiöse Identität, sodass die eigene Basis, das Grundvertrauen in die Mitmenschen und Gott infrage gestellt ist oder ganz abhandenkommt.
Als Angehörige:r und damit Co-Betroffene:r eines Missbrauchsopfers ist es wichtig, selbst Unterstützung und Hilfe anzunehmen, für sich zu sorgen, sich Auszeiten zu nehmen und zu reden, wenn die eigene Kraft nicht mehr reicht oder die Seele überläuft.
Auch Angehörige von Missbrauchsopfern können durch die jahrelange Belastung an ihre psychischen Grenzen kommen und krank werden.
Angehörige von Missbrauchsopfern haben zudem Schutzrechte und Recht auf Unterstützung seitens der katholischen Kirche, die bereits 2002 (und damit vor 20 Jahren!) in ihren Leitlinien festgeschrieben hat, dass „dem Opfer und seinen Angehörigen […] menschliche, therapeutische und pastorale Hilfen angeboten“ und „Maßnahmen zur Überwindung von Irritationen, Sprachlosigkeit und Trauer getroffen [werden]“. Nota bene: „anbieten“, nicht „auf Nachfrage ggf. gewähren“!
Die Kirche verpflichtet sich hier selbst zum proaktiven Handeln.
Die Leitlinien von 2010 greifen dies erneut auf:
„Ihnen [den Opfern, Anm. d. A.] und ihren Angehörigen müssen bei der Aufarbeitung von Missbrauchserfahrungen Unterstützung und Begleitung angeboten werden“; „die Hilfsangebote orientieren sich an dem jeweiligen Einzelfall. Zu den Hilfsangeboten gehören seelsorgliche und therapeutische Hilfen“; „diese Möglichkeit besteht auch, wenn der Fall verjährt oder die beschuldigte Person verstorben ist“; „für die Entscheidung über die Gewährung von konkreten Hilfen ist der Diözesanbischof zuständig.“
Wenn Sie das Bedürfnis haben, mit jemandem über Ihre Erfahrungen als Angehörige:r zu sprechen, nehmen Sie Kontakt zu uns auf!
Wir behandeln Ihre Geschichte vertraulich und geben keine Daten weiter, wenn Sie diese nicht ausdrücklich erlauben.